Nordlager III

 

Lage der Markierung des Lagerteils Nord III

Dieser Teil des Stalag Luft I entstand im Dezember 1944.

Vertreter der Schweizer Schutzmacht, die in Abständen Kriegsgefangenenlager inspizierten, hielten das Stalag Luft IV in Groß Tychow für das schlechteste aller Kriegsgefangenenlager für alliierte Flugzeugbesatzungen. Überfüllte, schlecht zu lüftende Räume, Mangelernährung, die ein ständiges, nagendes Hungergefühl verursachte, zu wenig Heizmaterial, zerbrochene Fensterscheiben, keine Duschen, mangelhafte medizinische Versorgung, schikanöse Behandlung seitens der Lagerleitung und den Wachmännern machten das Leben hinter Stacheldraht noch unerträglicher. Diese desaströsen Bedingungen im Stalag Luft IV besserten sich im Verlauf des Krieges nicht, sondern verschlimmerten sich zusehends. Ein Grund dafür bestand in der katastrophalen Versorgungslage nach fünf Kriegsjahren, ein weiterer darin, dass Stalag Luft IV ein Lager für Mannschaftsränge war, das gemäß des deutschen militärischen Kastensystems nicht die gleiche Beachtung fand wie Kriegsgefangenenlager für westalliierte Offiziere.

Anfang 1945 drangen die Truppen der Roten Armee schnell von Polen und Litauen nach Pommern vor. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis sie Stalag Luft IV erreichten. Die Insassen machten sich berechtigte Sorgen um ihre Zukunft, zumal sie wussten, dass der Reichsführer SS Himmler seit Oktober 1944 auch für die Kontrolle der Kriegsgefangenenlager zuständig war. Er plante eine Evakuierung der im Osten gelegenen Lager und wollte die Insassen als Geiseln benutzen, als wichtigstes Faustpfand bei Verhandlungen mit den Westalliierten, um bessere Konditionen bei der Kapitulation zu erreichen.

So geschah es, dass tausende Kriegsgefangene zu Fuß oder in Viehwaggons von Osten in Richtung Westen und Süden getrieben wurden. Die Evakuierung des Stalag Luft IV begann am 22. Januar 1945 mit der Überstellung von 200 kranken und verwundeten Kriegsgefangenen nach Barth. Insgesamt wurden etwa 1500 Mann per Bahn in das Stalag Luft I transportiert. Weitere Insassen von Groß Tychow fuhren tagelang mit Zügen nach Nürnberg, um in das Stalag III D eingewiesen zu werden. Die längste Evakuierung fand vom 5. bis 7. Februar 1945 statt. Sie wurde später als „Todesmarsch“ oder auch „Schwarzer Marsch“ bekannt.

Am 26. Januar 1945 wurden die Insassen des Lagers B aus Groß Tychow in Viehwaggons auf die mehrtägige, kräfte- und nervenzehrende Fahrt geschickt. 60 bis 70 Mann befanden sich in einem Waggon. Es war unmöglich, dass alle zur gleichen Zeit sitzen konnten. Toiletten gab es nicht. Die Kriegsgefangenen verrichteten ihre Notdurft im Freien, wenn der Zug hielt oder mussten Eimer benutzen. Der Gestank verpestete die Luft. Für alle war diese Fahrt ein Albtraum. Eine große Gefahr bestand darin, aus der Luft von der RAF oder USAAF beschossen zu werden, da die Waggons nicht mit den Insignien „POW“ oder „Red Cross“ gekennzeichnet worden waren. Beispielsweise zerstörten alliierte Jagdflieger 131 Lokomotiven, 24 Waggons und 42 Tankwaggons.

John Kyler

Nach 7 Tagen war endlich der Bahnhof Barth erreicht. Die völlig Erschöpften gingen unter Bewachung den langen Weg zum Stalag Luft I, passierten die mittelalterliche Kirche, das Dammtor und standen schließlich vor dem Haupttor des Lagers für kriegsgefangene Offiziere. Mit der Ankunft der Sergeants aus Groß Tychow erhöhte sich die Zahl der Insassen auf 9000. Um die vielen Neuankömmlinge unterzubringen, wurden drei Baracken des deutschen Vorlagers umzäunt und dem Nord I Lager angegliedert. Zusätzlich baute man dort zwei zuvor abgebrochene Baracken wieder auf.

Gemäß US-amerikanischer militärischer Tradition wurden die unteren Dienstgrade von den Offizieren abgesondert. Die Sergeants des Stalag Luft IV kamen alle in das Nord III-Lager mit Ausnahme der jüdischen Kriegsgefangenen. Und gemäß der antijüdischen, rassistischen Nazi-Ideologie wurden ab Januar 1945 alle jüdischen Offiziere und Mannschaftsgrade in zwei Baracken des Nord I eingewiesen. Der Senior Allied Officer Hubert Zemke richtete deshalb einen energischen Protest an die Schweizer Schutzmacht, aber ohne Erfolg.

Die Männer von Stalag Luft IV erhielten keine Pritschen sondern mussten auf dem Fußboden oder auf Tischen schlafen. Einige lagen auf schmalen dreistöckigen Holzstellagen ohne Matratzen. Vielfach mangelte es an Decken und Kopfkissen. Die meisten der Sergeants hegten die Hoffnung, dass sie in dem Offizierslager in Barth eine bessere Behandlung in Bezug auf Unterbringung und Verpflegung vorfinden würden. Stattdessen erlebten sie eine gravierende Hungerperiode von Ende Januar bis Ende März 1945, da keine Rot-Kreuz-Pakete eintrafen. Die Neuankömmlinge waren verzweifelt, hatten sie doch im Stalag Luft IV ständig gehungert, bevor sie nach Barth evakuiert wurden. So verloren sie immer mehr an Gewicht, und das Gehen fiel ihnen schwer. Einige durchsuchten die Essenabfälle, was vom SAO strengstens untersagt worden war. Deutsche Wachmänner wurden von nun an neben die Abfallbehälter postiert.

Den Kriegsgefangenen aus Groß Tychow missfiel ihre Trennung von den Offizieren. Der Senior Allied Officer Colonel Zemke sowie auch die Compound Officers der drei Nordlager, für Nord III war es Oberstleutnant Frances Gabreski, waren Jagdflieger. Eine enge Beziehung zwischen Offizieren und Mannschaftsgraden, wie es bei einer Bomberbesatzung unerlässlich war, existierte in Barth nicht. Hier regierte das übliche militärische Kastensystem und das führte zu manchen Reibereien. Einige der Sergeants glaubten, sie wären in einem Offizierslager sicherer untergebracht. Kenneth D. Ross meinte: „ Ich fühlte mich hier sicherer. Wir hatten eine Reihe hochrangiger Offiziere und Jagdflieger-Asse. Die Deutschen waren rangbewusst. Außerdem wusste das Hauptquartier der Alliierten, wo sich ihre kriegsgefangenen Offiziere befanden. Sollte ihnen irgendetwas passieren, bin ich sicher, dass das alliierte Kommando und die Welt das erfahren würden. Was die Mannschaftsgrade in Stalag Luft IV anbetraf- wen würde es kümmern, wenn einer von ihnen geschlagen würde oder im Lager starb – außer seinen Angehörigen?“

Verglichen mit dem Schicksal tausender ihrer Kameraden aus den östlich gelegenen Lagern Stalag Luft III, Stalag Luft IV und Stalag Luft VI, die durch Deutschland per Güterzug oder zu Fuß getrieben wurden, hatten sie trotz aller Probleme das bessere Los gezogen.

Am 29. April 1945 zogen die Deutschen nach Verhandlungen mit dem alliierten Lagerkommando in westlicher Richtung ab und überließen die Lagerverwaltung dem Senior Allied Officer Colonel Hubert Zemke und seinem Stab.

 

 

 

Francis S. Gabreski

Amerikanischer Jagdflieger

Francis S. Gabreski war einer der bekanntesten Piloten der amerikanischen Army Air Force im Zweiten Weltkrieg. Er wurde in einer polnischstämmigen Familie im Jahr 1919 geboren. Sein Vater Stanley Gabryszewski kam in der neuen Welt mit wenig mehr an, als in die Taschen seiner Hose passte. Einer der Gründe, die ihn veranlasst hatten, seine Heimat Polen zu verlassen, lag darin, dass er nicht in der preußischen Armee dienen wollte. Fünf Kinder zählten dann in Oil City, Pennsylvania, zu seiner Familie. Francis war einer der drei Jungen, die nun mit dem verkürzten Nachnamen Gabreski im polnischen Viertel der expandierenden Stadt aufwuchsen. Das Zentrum der dortigen polnischen Gemeinde war die katholische Kirche. Gerade Francis Mutter fand hier ihren Halt. Sie sprach kaum mehr als eine Handvoll englischer Worte. Dem aufgeweckten Francis wuchsen im Gottesdienst früh erste Aufgaben zu. Er wurde Messdiener, oder wie man es in Pennsylvania nannte, altar boy.

Seinen harten polnischen Akzent verlor der Junge erst in der Junior High School, die er im Juni 1938 beendete. Eigentlich wollte er wie sein älterer Bruder Ted Medizin studieren, aber dann war der Sogeffekt der Fliegerei stärker. Er begann bei einer kleinen Luftlinie zu arbeiten. Begierig zog er die neuen, überwältigenden Eindrücke ein, sein erster Alleinflug erfolgte schon im Dezember 1938.

Im nächsten Jahr wurde Francis vom Army Air Corps geworben. Am Himmel Europas zeichnete sich der deutsche Krieg gegen Polen ab. Er wusste genau, dass er bald kämpfen sollte und dass seine Waffe ein Flugzeug sein würde.

Francis oder Gabby, wie er bald von allen genannt wurde, kam als junger Pilot 1942 in die 56th Group. Zwei Jahre später diente er als Staffelkapitän im berühmten „Wolfpack“ seines Freundes Hub Zemke.

Francis S. Gabreski schoss 28 deutsche Flugzeuge ab. Seine letzte Fliegermission im Zweiten Weltkrieg war sein 166. Kampfeinsatz. Der Flug endete am 20.Juli 1944 in der Gegend von Koblenz. Seine P-47 wurde beim Tiefangriff auf einen Fliegerhorst der deutschen Luftwache von der Flak erwischt.

Nach intensiven Verhören im Durchgangslager Oberursel wurde der Staffelkapitän ins Kriegsgefangenenlager Stalag Luft I Barth überstellt. Dort lebte er ab Ende 1944. Bald war er als Barackenoffizier wiederum seinem alten Chef der 56th Group, Colonel Hub Zemke, unterstellt.

Nach seiner Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft arbeitete er zunächst als Testpilot und probierte sich danach für eine kurze Zeit in der privaten Luftfahrtindustrie aus. Mit der Aufstellung der US Air Force verließ Gabby aber die Douglas Aircraft Company und trat Ende 1047 wieder in die amerikanischen Streitkräfte ein. Als Oberst kommandierte er zu Beginn der 1950Jahre seine alte 56th Fighter Group. Seine Düsenjäger F-86 Sabre erhielten 1951 die Kommandierung nach Korea für den Einsatz in einer „Polizeiaktion“- wie man zunächst meinte. Wie andere ehemalige Barther Gefangene kämpfte er am Himmel über Korea gegen sowjetische und chinesische Düsenjäger. Ihm persönlich wurden sechseinhalb Abschüsse anerkannt.

Zurückgekehrt vom asiatischen Kriegsschauplatz, wurde er vom amerikanischen Präsidenten Truman im Weißen Haus empfangen. Als Geschwaderkommodore diente er dann in verschiedenen Verbänden.

Ende 1967 schied er aus dem aktiven Dienst und nahm eine Tätigkeit beim Grummankonzern auf. Beratend wirkte er unter anderem an der Weiterentwicklung der F-111. Als Assistent des Vizepräsidenten ging Gabby 1987 in den Ruhestand. Den verlebte er in Oil City, Pennsylvania.

Er starb am 31. Januar 2002.