Nördliche Grenze Stalag Luft I

Lage der Markierung der nördlichen Lagergrenze

Die letzten Tage des Stalag Luft I

Am 2. Mai 1945 um 10 Uhr zog das 133. Garderegiment (44. Gardeschützendivision,  65. Armee  unter Generaloberst P.I. Batow) in Barth ein. Colonel Hubert Zemke (US) und Group Captain Cecil Weir (GB) waren  am 2. Mai bei der Übergabe der Stadt Barth an die Rote Armee zugegen. Auf ihren Streifzügen zum Fliegerhorst  Barth entdeckten Kriegsgefangene des Stalag Luft I das KZ Barth und waren entsetzt über hunderte halbverhungerte Menschen und dutzende tote Häftlinge, die in den völlig verdreckten und verlausten Räumen umherlagen. Britische und amerikanische Mediziner versorgten nach Kräften die Kranken und brachten sie in das Lazarett des Fliegerhorstes und in das Hospital des Stalag Luft I.

Ungeduldig warteten tausende junger Männer seit dem 30. April  auf ihre Heimkehr, doch die sowjetische Seite ließ sich Zeit. Sie sorgte  für das leibliche Wohl ihrer Verbündeten und trieb dutzende lebende Kühe und Schweine in das Lager, die dort geschlachtet wurden. Kulturveranstaltungen vereinten die Männer beider Seiten. Ein sowjetisches Tanzensemble trat auf. Die westlichen Verbündeten standen bei Schwerin und rückten nicht weiter vor. Die Rote Armee kontrollierte nach und nach das gesamte dazwischen liegende Mecklenburger Land.  Somit war eine politische Lösung gefragt.

 

Die Stäbe der Amerikaner und Engländer begannen umzudisponieren und handelten blitzschnell. Die POW´s sollten mit allen verfügbaren Mitteln versuchen, nach dem Überrollen die Lager geordnet in Richtung ihrer Truppen zu verlassen. Längere Verhandlungen mit der Roten Armee sollten vermieden und Tatsachen geschaffen werden. Entsprechende Befehle gingen verschlüsselt sowohl über Funk als auch über normale Radiosendungen an die Kriegsgefangenenlager. Nach Möglichkeit sollte die Air Force zum Transport aus weiter entfernten Camps eingesetzt werden. Die Bedingungen in Barth waren dafür ausgezeichnet. Ein voll betriebsfähiger Fliegerhorst mit einer entsprechend ausgebauten Start- und Landebahn lud ein. Die amerikanischen Offiziere begannen, die Anlagen  und Rollbahnen zu entminen.

Beim Stalag Luft I Barth kam noch ein zusätzliches Moment hinzu. Schließlich ging es – militärisch gesehen – um die Rückführung von 9. 000 Fliegeroffizieren mit einiger Kampferfahrung auf einem Kriegsgebiet, auf dem die Rote Luftflotte nur über wenig Erfahrungen verfügte: auf dem des strategischen Luftkrieges. Mit den Offizieren, die in Barth nun immer noch hinter Stacheldraht saßen, hätten die Amerikaner problemlos eine weitere schlagkräftige Luftarmee aufstellen können. Die Anzahl der einsitzenden Offiziere war weit höher als die jener Offiziere, die in den fliegenden Verbänden der mächtigen 8th Air Force  im April 1945  ihre Angriffe gegen Nazideutschland geflogen hatten.

Die Amerikaner und Engländer begannen umzudisponieren und handelten blitzschnell. Der Befehl „Stay – put“, d.h. das Überrollen  und das anschließend befohlene Abwarten der Gefangenen in den anglo-amerikanischen Lager, wurde ab März 1945 durch den Plan „Rankin  Case C“ ersetzt.[2] Die POW´s sollten mit allen verfügbaren Mittel versuchen, nach dem Überrollen die Lager geordnet in Richtung auf ihre Truppen zu verlassen. Längere Verhandlungen mit der Roten Armee sollten vermieden und Tatsachen geschaffen werden. Entsprechende Befehle gingen verschlüsselt sowohl über Funk als auch über normale Radiosendungen an die Kriegsgefangenenlager. Nach Möglichkeit sollte die Air Force zum Transport aus weiter entfernten Camps eingesetzt werden. Die Bedingungen in Barth waren dafür ausgezeichnet. Ein voll betriebsfähiger Fliegerhorst mit einer entsprechend ausgebauten Start- und Landebahn lud ein. Die amerikanischen Offiziere begannen, die Anlagen  und Rollbahnen zu entminen.

Die Sowjetunion schien einem Transport der Ex-PoW zunächst nach Odessa ans Schwarze Meer und dann mit dem Schiff nach Westeuropa den Vorzug zu geben. Der Schwarzmeerhafen war der traditionelle Austauschort von sowjetischen Kriegsgefangenen mit ihren westalliierten Schicksalsgenossen. Eine politische Lösung war gefragt, aber zunächst nicht in Sicht.

Colonel Zemke und der Group Captain Weir bemühten sich, zu den sowjetischen Offizieren vor Ort ein gutes Verhältnis herzustellen. Die Beziehungen waren freundlich und entspannt. Zemke unterstellte das Lager – ohne Einschränkungen – dem sowjetischen Kommando. Die Kriegsgefangenen konnten Passierscheine für einen Spaziergang ins Städtchen bekommen. Die russischen Streifen durften jedoch bei Fehlverhalten schießen.

Colonel Zemke hatte zunächst bei der sowjetischen Kommandantur erreicht, dass seine Leute den Flughafen entminen durften. Am 5. Mai stoppte die Rote Armee plötzlich die Entminungsarbeiten. Zemke schrieb direkt an Marschall Rokossowski und bat um die Einrichtung eines Luftkorridors. Er erhielt indes keine Antwort.

Das Oberkommando der Wehrmacht hatte am 7. Mai gegenüber den Westalliierten die bedingungslose Kapitulation erklärt. Das erkannte Stalin nicht an. Am selben Tag traf sich der englische Feldmarschall Montgomery und Marschall Rokossowski in Wismar in gespannter Atmosphäre. Montgomery setzte sich vehement für die Rückführung der Barther Gefangenen ein. Rokossowski gab lediglich den Befehl, das Lager zu versorgen. Alles konnte noch auf die Rückführung der Gefangenen über Odessa hinauslaufen.

Verschärfend für die Gefangenen erwies sich jetzt, dass  sich der verhasste General Wlassow  bei Pilsen am gleichen Tag den Amerikanern ergeben hatte und nichts deutet darauf hindeutete, daß er der Roten Armee übergeben werden sollte. Der ehemalige General der Roten Armee hatte aus sowjetischen Kriegsgefangenen Truppen aufgestellt, die auf Seiten Deutschlands kämpften. 

Am 8. Mai erfolgte dann die Unterzeichnung der bedingungslosen deutschen Kapitulation in Berlin – Karlshorst vor Marschall Shukow. Das gestaltete die Lage auch für das Stalag Luft I in Barth einfacher.

Am 12. Mai wurde bekannt, dass General Wlassow und seine Soldaten bei Pilsen von den sowjetischen Behörden in Empfang genommen worden sind. Stalins Druck hatte Erfolg. Im Gegenzug durfte Stalag Luft I geräumt werden. Am gleichen Tag, kurz vor 14 Uhr waren amerikanische Maschinen, die „Fliegenden Festungen“ der 8. US-Luftflotte, zu hören. Über Barth dröhnten plötzlich wieder die Motoren.

Die Kriegsgefangenen des Stalag Luft I erlebten diese präzise vorbereitete Airlift-Aktion als  „Operation Revival“.

Helga Radau/Martin Albrecht