Nordlager II

Lage der Markierung des Lagerteils Nord IILieutenant Alan H. Newcomb der USAAF wurde mit anderen Kriegsgefangenen im Oktober 1944 in das Stalag Luft I eingeliefert und kam in das Nord-Nord Teillager, das ab Dezember 1944 die Bezeichnung Nord II erhielt. In seinen ausführlichen Tagebuchaufzeichnungen berichtet er von kulturellen Veranstaltungen der Kriegsgefangenen. So gab es ein Musiktrio, bestehend aus Violine, Akkordeon und Banjo. Ein Gesangsquartett trat regelmäßig auf; und es wurde Theater gespielt.

Zu Weihnachten 1944 erhielten die Kriegsgefangenen nach längerer Pause endlich wieder Rot-Kreuz-Pakete. Sie enthielten kleine Büchsen mit Putenfleisch sowie Plum-Pudding, Marmelade, Honig, Wiener Würstchen, Schinken, Käse, gute Butter, Nüsse, Datteln, kandierte Kirschen, Kaugummi und ein kleines Spiel. Alle diese Herrlichkeiten befanden sich in einem 5 kg Paket.

Am Weihnachtsabend gab es mehrere kulturelle Veranstaltungen in der neuen Essen-Halle im Nord III Compound. Nach der Show tauschten sie gegenseitig kleine, lustige Geschenke.

Alan Newcomb erwähnt Anfang April 1945, dass Max Schmeling ihr Nord III Compound besuchte, Autogramme und Fotos an alle verteilte, die daran interessiert waren. Newcomb selbst bemerkt, dass er es wegen seiner Erkältung und des nasskalten Wetters vorzog, im Zimmer zu bleiben.

Lieutenant Wright Lee erwähnt Schmelings Besuch am 3. April 1945. Mit dem Senior Allied Officer Colonel Hubert Zemke schlenderte der frühere Boxweltmeister durch das Lager, sehr bemüht, Deutsch-Amerikanische Beziehungen aufzubauen.

Colonel Alan Henry Russell Spicer

Kommandeur der 357th Fighter Group (Jagdflieger) war Colonel Alan Henry Russell Spicer. Bei einem Einsatz am 5. März 1944 setzte über Südfrankreich der Motor des Flugzeugs aus. Es gelang ihm noch bis an die Küste zu kommen. Mit seinem Fallschirm sprang er über dem englischen Kanal ab. Mit großer Mühe gelang es ihm, sich in das aufblasbare Schlauchboot zu retten. Ausgesandte Such- und Rettungstrupps konnten ihn jedoch nicht ausfindig machen. Zwei Tage trieb er auf dem Wasser bis das Schlauchboot endlich an einem Strand in der Nähe der französischen Stadt Cherbourg strandete. Dort lag er mit Erfrierungen an Händen und Füßen besinnungslos im Sand bis ihn deutsche Soldaten entdeckten.

Nach medizinische Behandlung und Vernehmung überstellten ihn die Deutschen in das Lager Stalag Luft I nach Barth. Hier wurde er Compound Officer des Nord II. Anfang November 1944 befahl der deutsche Compound-Offizier, dass sich alle Kriegsgefangenen bei kaltem, heftigem Regenwetter zum Zählappell aufstellen sollten. Spicer fand das schikanös und unzumutbar und weigerte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Doch nach vehementen Drohungen musste er nachgeben. Im Anschluss an den absichtlich in die Länge gezogenen Appell wandte sich der temperamentvolle, cholerische und wütende Spicer mit harschen Worten an seine Kameraden. So bezeichnete er die Deutschen als „Mörderbande“ und fand weitere harte Ausdrücke. Colonel Spicer wurde wegen „Beleidigung der deutschen Ehre“ und „Aufwiegelung der Kriegsgefangenen“ mit 6 Monaten Einzelhaft im „Cooler“ bestraft. Der deutsche Lagerkommandant ordnete an, ihn vor ein Militärgericht zu stellen. Das geschah Ende Dezember 1944. Spicer wurde für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Die Vollstreckung des Urteils sollte nach drei Monaten Einzelhaft ausgeführt werden. Doch der temperamentvolle Spicer hatte Glück. Nach drei Monaten wurde er nicht exekutiert. Er blieb bis zum 30. April 1945 im „Cooler“, dem Tag, an dem die ca. 900 Deutschen nach Verhandlungen mit der westalliierten Lagerführung gegen 22 Uhr in Richtung Westen abzogen, um sich rechtzeitig  vor den sich rasch nähernden Truppen der 2. Weißrussischen Front in Sicherheit zu bringen.

Erst am nächsten Morgen des 1. Mai ging die Nachricht wie ein Lauffeuer durch das gesamte Lager: „Die Deutschen sind fort! Die Lagerverwaltung liegt in den Händen unserer Offiziere unter der Führung von Colonel Zemke!“  Eine ihrer ersten Anweisungen war die Freilassung Colonel Spicers. Einige amerikanische Offiziere eilten zum „Cooler“ und schlossen die Zellentür auf. Spicers Reaktion überraschte sie völlig. „Ich muss noch einen Tag hier aushalten“, meinte er, „ich will die verdammtem sechs Monate vollständig absitzen.“

Nach dem Krieg diente er weiter in der USAAF und wurde zum Generalmajor befördert. Er starb am 5.12.1968.